NEWSLETTER 3. QUARTAL 2022
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Wenn
jeder dem anderen helfen wollte,
wäre
allen geholfen.“
(Marie
von Ebner-Eschenbach)
Vor einigen
Tagen saß ich im Hof meines Nachbarn. Wir warteten auf eine
neue Fuhre Heu für meine Pferde. Es war Heuernte und brütend
heiß schien die Sonne vom Himmel.
Da hörten
wir schon den Traktor. Ich kletterte die Leiter hinauf auf den oberen
Stock der Scheune um mit den Männern, die das Heu einfuhren,
abzuladen.
Genau ein Jahr
ist es her, dass ich hier in diesem Ort gelandet bin. Ohne jemanden
zu kennen, keine Ahnung darüber zu haben, wo ich Heu für
meine Pferde herbekomme oder wo ich ihren Mist entsorgen könnte.
Ich stand vor einem Problem, das nur jemand nachvollziehen kann, der
seine Pferde selbst versorgt ohne Landwirt zu sein.
In der
Vergangenheit hatte ich, diese Themen betreffend, oft wirkliche
Probleme. Viele Menschen versprachen alles, hielten nichts, betrogen
mich oder ließen mich im Stich. Doch mein Vertrauen ins
Universum, in die Fügungen des Lebens und in die Existenz
hilfreicher Menschen habe ich nie verloren.
Nun
kam ich mit meinen Pferden in diesem Ort an und innerhalb kurzer Zeit
organisierte mein einer Nachbar Heu im Übermaß für
mich. Er rief die Bauern und Wiesenbesitzer in der ganzen Umgebung
zusammen und in null Komma nichts standen 12 Männer bereit,
mähten, wendeten und pressten das Heu - hier noch eine kleine
Wiesenecke und dort noch ein Stück – alles wurde
zusammengebracht, was übrig war. Sie arbeiten parallel in zwei
Gruppen und ich stand bereit um beim Abladen der Ballen zu helfen.
Freundschaft
ist Gefühl und Verständnis füreinander
und
Hilfsbereitschaft in allen Lebenslagen.“
(Cicero)
Otti, mein
anderer Nachbar meinte, ich könne alles in seine leere Scheune
bringen. Otti, der Helfer in wirklich allen Lebenslagen, der mir nun
nicht nur seine Scheune kostenfrei zur Verfügung stellt sondern
auch seinen Misthaufen - und Jonas, der Sohn des anderen Nachbarn den
Mist auf seinem Kartoffelacker entsorgt – auf diese beiden ist
wirklich Verlass.
Fast alle
Dorfbewohner bedienen sich ebenfalls am Pferdemist und streuen ihn in
ihren Gärten aus. Die einen bringen mir Erdbeeren, die anderen
Salat, Kartoffeln oder sonstiges als Dank für den guten Dünger.
Nach tagelanger
Arbeit in Hitze und Staub und trocken eingebrachtem Heu, saßen
wir nun alle beisammen und schütteten das eiskalte
Zitronenwasser in uns rein, welches Otti in Massen anschleppte.
Dankbarkeit und
Glück – das ist es, was man in diesem Moment fühlt.
Dankbarkeit über diese hilfsbereiten Menschen, denen das
Schicksal des anderen nicht egal ist. Die nicht jammern und stöhnen
wegen der schweren Arbeit in Hitze und Dreck. Sondern die tun, was
jetzt getan werden muss, damit meine Tiere versorgt sind.
Was ist es, das
die Menschen hier so selbstverständlich helfen lässt? Ist
es Mitgefühl, Verantwortungsgefühl,
Zusammengehörigkeitsgefühl, Gewohnheit oder „weil des
macht mr halt so“?
Die
Menschen hier sagen, es käme von der jahrhundertelangen
Abgeschiedenheit des Ortes. Hier musste man sich immer helfen, sonst
war man verloren. Ist es nur das?
Eigentlich ist
es egal was es ist. Eins ist es aber auf jeden Fall – einfach
schön! Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn alle Menschen
sich gegenseitig helfen würden. Ja, dann wäre wohl allen
geholfen, wie Marie von Ebner-Eschenbach sagt.
Hier fällt
mir der Film „Das Glücksprinzip“ ein. In diesem Film
kommt ein kleiner Junge auf die Idee, dass die Welt besser werden
könnte, wenn jeder Mensch nur drei anderen helfen würde.
Denen geholfen wird, geben es nicht zurück sondern an drei
andere Menschen weiter. Und so breitet sich Hilfsbereitschaft auf der
ganzen Welt wie durch ein Schneeballsystem aus.
Bevor ich
hierher kam, hatte ich oft den Eindruck, dass die Welt arm geworden
ist an Hilfsbereitschaft. Hier scheint das Leben in vielen Dingen
stehen geblieben zu sein. Gerade in dieser Zeit gibt es so viele
Menschen, die festzustecken scheinen. Wäre es nicht bitternötig
ihnen die Hand zu reichen, ihnen herauszuhelfen? Oft sind es
Kleinigkeiten, die unglaublich viel bewirken können.
Wie glücklich
macht es, Hilfe und Unterstützung zu erhalten, wenn man sie
braucht?
Wie glücklich
macht es Hilfe geben zu dürfen, wenn es möglich ist?
Das Leben sollte
stets ein Geben und Nehmen sein, denn nur so ist Ausgleich und
Balance auf der Erde möglich und alles bleibt in Harmonie.
Weitergeben was man nicht braucht, annehmen was man nötig hat –
nicht aufrechnen, nicht erwarten, sondern selbstverständlich
Hand in Hand das Leben gemeinsam bewältigen.
Niemand
ist nutzlos in dieser Welt,
der
einem anderen die Bürde leichter macht.“
(Charles
Dickens)
Meine beiden
Stuten grasen hinterm Haus auf ihrer Koppel. Es fängt an zu
regnen. Sie genießen die Erfrischung nach den heißen
Tagen. Und wie glücklich können wir sein, dass das Wetter
gehalten hat bis das Heu im Trockenen ist – dank allen
helfenden Hände.
Lasst
uns alle helfen wann wir können und wo wir können, denn
Wir
sind dazu geboren, wohltätig zu sein.
(William
Shakespeare)
HEIDI
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